Weihnachten in London
Weihnachts-Shopping gab’s schon im Mittelalter
Das Mittelalter war trostlos und karg? Von wegen! Forscher haben nun herausgefunden, dass vor Weihnachten schon im 14. Jahrhundert eifrig Waren aus dem Ausland importiert wurden. Darunter auch Skurriles.
© Imago/GRANGER Historical Picture Archive
Anbetung der Hirten: Fresko von Giotto in der Scrovegni Kapelle in Padua(um 1305).
Von Markus Brauer/KNA
Als Papst Gregor im Jahre 354 n. Chr. den 25. Dezember offiziell zum Geburtstag Jesu erklärte und damit die heidnische Feier der Wintersonnenwende christianisierte, spielte der Weihnachtsmann noch keine Rolle für die Festivitäten.
Weißbärtiger Mann im roten Kapuzenmantel
Über Jahrhunderte hatte das Christkind das Monopol auf das Verteilen der Geschenke, welche die Gaben der Heiligen Drei Könige an das Jesuskind – Gold, Myrrhe und Weihrauch – symbolisieren. Erst im 19. Jahrhundert setzte sich der Weihnachtsmann zunächst im protestantischen norddeutschen Raum durch.
Das erste Bild des Weihnachtsmannes entstand im Jahr 1847, als Moritz von Schwind einen weißbärtigen, beleibten Mann mit langem Kapuzenmantel zeichnete: Herrn Winter. Dieser Herr Winter setzte sich zunehmend durch, wohl auch, weil er leichter in Schokoladenform zu pressen war als das Christkind. Rentiere besaß der Weihnachtsmann zu dieser Zeit aber noch nicht.
Der erste Besuch vom Nikolaus
Der erste Rentierschlitten tauchte im Jahre 1868 in einer Zeichnung im amerikanischen Harper’s Magazine auf. Aus den USA stammt auch die Vorstellung, dass der Weihnachtsmann durch den Kamin in die Häuser steigt.
In dem Weihnachtsgedicht „Ein Besuch vom Nikolaus“ (englischer Originaltitel: „A Visit from St. Nicholas“) von Clement Moore aus dem Jahr 1822 werden die Rentiere, die den Schlitten ziehen, erstmals schriftlich erwähnt. Im deutschsprachigen Raum erlangte das Gedicht vor allem durch die Übersetzung von Erich Kästner aus dem Jahr 1946 unter dem Titel „Als der Nikolaus kam“ große Bekanntheit.
Weihnachten im mittelalterlichen London
Doch schon viele Jahrhunderte früher, im Spätmittelalter, ließen Menschen in London sich Spielzeug, Schmuck und festliche Waren vor Weihnachten in großen Mengen aus dem Ausland liefern. Es waren die ersten Schritte zum globalen Fest der Geschenke am 24. Dezember. Das haben Historiker aus Großbritannien und Deutschland herausgefunden, wie die Universität Bamberg am Mittwoch mitgeteilt hat.
Im November und Dezember wurden demnach Kinderrasseln und -puppen, Tennisbälle, Spielbretter und Würfel oder religiöse Devotionalien importiert. Ebenso kauften die Menschen große Mengen an Obst und Gewürzen, Schmuck und Lederhandschuhe. Einmal seien sogar 14 Dutzend Jesusfiguren erstanden worden.
Die Ergebnisse basieren laut Angaben auf Untersuchungen von Londoner Zollregistern aus den Jahren 1380 bis 1560. Diese seien erstmals systematisch digitalisiert und ausgewertet worden, wie Werner Scheltjens, Professor für Digitale Geschichtswissenschaften in Bamberg, erklärt.
„Indem wir diese Quellen nicht nur als Wirtschafts-, sondern als kulturhistorische Zeugnisse lesen, können wir nachvollziehen, wie sich Geschmäcker, Konsumgewohnheiten und Vorlieben über Grenzen hinweg verbreiteten.“
Von wegen finsteres Mittelalter
Justin Colson, Senior Lecturer für Urban and Digital History und stellvertretender Direktor des Centre for the History of People, Place and Community in London, stellt fest: Die Aufzeichnungen widerlegten alte Annahmen über ein karges oder trostloses mittelalterliches Leben. „Die Menge an Spielzeug, Schmuckstücken, Obst und festlichen Leckereien, die jeden Winter importiert wurden, zeigt, dass mittelalterliche Menschen eine lebendige Konsumkultur mit erschwinglichen Waren genossen.“
Die Aufzeichnungen seien auch wichtig, weil viele der genannten Gegenstände heute nicht in Museen zu finden seien, da sie günstig und kurzlebig gewesen seien, heißt es. Besonders interessant seien die Hinweise auf das importierte Spielzeug, weil sie neue Perspektiven über das mittelalterliche Kindesalter eröffneten. Das Spielzeug sei in großen Mengen hergestellt und lokal wie international verkauft worden.
