Zerlegbare Gebäude – als Teil des Kreislaufs

Interview Robert Böker ist Mitbegründer der WoodenValley gGmbH in Verantwortungseigentum, die sich der Vermittlung von Konzepten und der Umsetzung besonderer Projekte der Kreislaufwirtschaft verschrieben hat. Er stellt die Thematik an der Volkshochschule in Murrhardt vor.

Das Team ist mit dem Tiny-House-Lernraum in Schulen unterwegs, um das Kreislaufdenken zu veranschaulichen. Foto: WoodenValley

Das Team ist mit dem Tiny-House-Lernraum in Schulen unterwegs, um das Kreislaufdenken zu veranschaulichen. Foto: WoodenValley

Sie werden bei der Volkshochschule Murrhardt über Kreislaufwirtschaft sprechen, also über die Idee einer zirkulären Wirtschaftsweise mit dem Ziel, die natürlichen Ressourcen zu schonen und eine nachhaltigere Rohstoffversorgung durch schonendere Produktions- und Konsumweisen zu erreichen. Wie sind Sie selbst zum Thema gekommen?

Ich kam vor einigen Jahren mit Kamila Pasko bei einem Wiedersehen nach langer Zeit ins Gespräch. Sie hat mir von ihrer Idee erzählt, ein Tiny House im städtischen Raum aufzustellen, in dem Kinder und Jugendliche die Kreisläufe in der Natur erleben und etwas darüber lernen können. Sie war zuvor in Neuseeland und den USA und ist dort mit Ansätzen der Kreislaufwirtschaft in Kontakt gekommen. Sie war begeistert und hat begonnen, das Thema in ihren Alltag zu integrieren. Auch mich hat es so gefesselt, dass ich mich intensiv eingelesen habe, und irgendwann haben wir uns gesagt: Dann machen wir doch eine Firma daraus.

So sind Sie Mitbegründer der

WoodenValley gGmbH geworden.

Genau. Wir haben uns weiter vertieft, angefangen, das Wissen zusammenzutragen, und sind dabei in Berlin mit der Cradle-to-Cradle-Nichtregierungsorganisation (NGO) in Kontakt gekommen, die versucht, den Cradle-to-Cradle-Ansatz – im Idealfall eine fortlaufende Kreislaufführung aller Produkte und Materialien – in die Gesellschaft zu tragen. Es entstanden eine Kooperation mit der NGO und ein Tiny-House-Lernraum namens Woodii (gesprochen, mit dem Kreislaufzeichen „w∞d.ii“geschrieben).

Das heißt, dieser Tiny-House-Lernraum war schon früh als Idee präsent?

Ja, und für uns war klar, dass dabei auch das nachhaltige Bauen im Mittelpunkt stehen sollte. Das heißt, wir schauen, wie sich Kreislaufwirtschaft beim Bauen umsetzen lässt.

Mit Woodii haben Sie ein Mobil geschaffen, mit dem Sie Schulen besuchen, das aber auch Fachleuten wie Architekten zur Verfügung gestellt wird. Was lässt sich dort entdecken?

Woodii soll die Kreisläufe der Natur erlebbar machen. Letztlich haben wir viele mögliche Ansätze im Haus integriert. Es lässt sich ein Wasserkreislauf zeigen: Wir sammeln das Wasser auf dem Dach, führen es durch eine Kläranlage, bei der Pflanzen das Wasser reinigen, und können es als Brauchwasser wieder benutzen. Dann gibt es einen Stromkreislauf mit Solarpanels auf dem Dach, die Energie wird in einen Batteriezwischenspeicher geführt und weiter in Leitung und Steckdose, über die sich Tablets und Handys laden lassen. Die Lehmheizung, die wir im Häuschen in der Decke verbaut haben, funktioniert mit Strom, somit speist sich der Wärmekreislauf auch aus der Sonne.

Das heißt, die Natur versorgt einen.

Richtig. Und was die Material- oder Ressourcenschonung anbelangt, ist es so, dass wir das gesamte Haus wieder in seine einzelnen Bestandteile zerlegen können, um auch die Materialien – sollte das Haus irgendwann nicht mehr nutzbar sein – wieder in den Kreislauf geben zu können.

Das ist bei Solarpaneelen wahrscheinlich schwieriger als bei Lehm.

Genau, wobei wir auch bei der technischen Ausstattung auf bestimmte Dinge achten. Beispielsweise darauf, dass die Technik – Kabel und Steckdosen – auf Putz geführt ist, sodass wir sie gut zurückbauen können. Das heißt, die Materialien sind nicht fest miteinander verbunden, sodass wir sie, ohne sie zu zerstören, wieder voneinander lösen können. Oder die Steckdosen bestehen aus recyceltem Plastik. Es gibt beispielsweise einen Hersteller, der für die Steckdosengehäuse gesammelte Fischernetze aus dem Meer verwendet. Auch die Solarpanels lassen sich zurückbauen, wobei das Recycling natürlich an bestimmten technischen Prozessen hängt. Woodii ist aber so gemacht, dass sich Bauteile nach und nach gegen die bessere Alternative tauschen lassen. Somit ist es eigentlich ein rollendes Labor.

Und das lässt sich dann Kindern und Fachleuten zeigen.

Zum einen ist Woodii ein Lernraum für die Zukunft. Auf Schulhöfen erleben Kinder als Baumeisterinnen und Baumeister von morgen, wie nachhaltiges Bauen und Kreislaufwirtschaft funktionieren. In unseren Workshops mit Pädagoginnen und Pädagogen legen wir früh den Samen für eine Bildung für nachhaltige Entwicklung – spielerisch, praxisnah und mit langfristiger Wirkung. Doch nicht nur Schulen profitieren: Auch Unternehmen können Woodii als mobile Lernplattform mieten und nutzen, um ihre Mitarbeitenden in zentralen Zukunftsthemen weiterzubilden – von Nachhaltigkeitsreporting über CSR-Strategien (Corporate Social Responsibility) bis hin zur Entwicklung kreislauffähiger Produkte und Dienstleistungen.

Das nachhaltige Bauen ist ja ein Schwerpunkt von WoodenValley. Gibt es Beispiele für besonders gelungene Vorhaben oder ein Leuchtturmprojekt?

Es gibt ein eigenes Forschungsprojekt in Göppingen, das am 11. April eröffnet wird. Dort haben wir ein Gebäude errichtet, das all die Prinzipien veranschaulicht. Das ist unser Leuchtturmprojekt, weil da alles von digitaler Planung über Materialauswahl bis zur Art und Weise, wie es gebaut ist, drinsteckt, was Kreislaufwirtschaft und zirkuläres Bauen ausmacht. Auch hier stand der Gedanke im Mittelpunkt, den Menschen vor Ort anschaulich zu zeigen, wie zirkuläres Bauen funktioniert. Ansonsten begleiten oder beraten wir Architektur- oder Planungsbüros bei Bauvorhaben, um das Thema Nachhaltigkeit im Bauprozess zu verankern.

Was kommt da besonders zum Tragen?

Ein Fokus, den wir zurzeit dabei haben, ist ein künftiges EU-Gesetz mit dem ziemlich sperrigen Namen EU-Zertifizierungsrahmen zur Kohlenstoffentnahme. Mit Blick auf das Ziel, Klimaneutralität zu erreichen, steht dahinter, möglichst viel CO2 aus der Atmosphäre zu entnehmen beziehungsweise zu binden und langfristig zu speichern. Wenn ein Gebäude viele biobasierte Baustoffe wie Holz, Hanf, Stroh oder ähnliche Materialien enthält, ist es über einen längeren Zeitraum in der Lage, Kohlenstoff zu binden. Wir unterstützen Bauherrinnen und Bauherren, diese Kohlenstoffbindung in ihren Gebäuden richtig zu planen. Hinzu kommt der Aspekt: Wenn die Materialien wieder rückbaubar sind, können sie auch länger in diesen Kreisläufen bleiben. Wenn ich aber alles betoniere und verputze, die verschiedenen Materialien so ineinander verbacke und verklebe, kriege ich sie später nicht mehr auseinander. Dann produziere ich Müll, was man ja vermeiden will.

Würden Ihnen noch andere Beispiele einfallen, wie man selbst im Alltag die Idee einer Kreislaufwirtschaft unterstützen kann?

Da gibt es ja die vielen Rs, die aus dem Englischen abgeleitet sind, wie Refuse oder Rethink (Ablehnen oder Überdenken), sprich zu überlegen: Brauche ich ein Produkt wirklich? Das Recyceln ist ein Fall für Repaircafés, die groß im Kommen sind und in denen man Gebrauchsgegenstände wieder flottmachen kann. Oder man kann Sachen verkaufen und verschenken und sie so im Kreislauf halten. Ich bin mal auf eine tolle Aktion in der Schweiz aufmerksam gemacht worden. Dort haben kleine Aufkleber mit Dingen des Alltags wie einer Bohrmaschine am Briefkasten angezeigt, dass diese dort jeweils ausgeliehen werden konnten.

Das Gespräch führte Christine Schick.

Foto: David Franck
Zerlegbare Gebäude – als Teil des Kreislaufs

© photo@davidfranck.de 2020

Produktbeispiele und Tipps

Vortrag Der Vortrag mit Robert Böker „Kreislaufwirtschaft und Cradle to Cradle – Nachhaltigkeit neu gedacht“ bei der Volkshochschule Murrhardt findet am Donnerstag, 27. Februar, von 19.15 bis 21.15 Uhr im Grabenschulhaus, Obere Schulgasse 6, statt. An diesem Abend erläutert Böker, der früher als Diplom-Mechatroniker gearbeitet hat, was Kreislaufwirtschaft bedeutet und wie das Cradle-to-Cradle-Prinzip die Alltagswelt verändern kann. Es werden bereits verfügbare Produkte vorgestellt, die den Cradle-to-Cradle-Ansatz umsetzen, und gezeigt, wie sich im Alltag zur Ressourcenschonung beitragen lässt. Die Teilnahme kostet zwölf Euro, ermäßigt 10,50 Euro. Anmeldungen nimmt die VHS Murrhardt persönlich, übers Netz unter www.vhs-murrhardt.de oder per E-Mail an info@vhs-murrhardt.de entgegen. Weitere Infos gibt es beim Team der Volkshochschule unter Telefon 07192/9358-0.

Infos Weitere Infos zur WoodenValley gGmbH in Verantwortungseigentum (bedeutet, dass die Eigentümer des Unternehmens zwar Stimm-und Teilhaberechte haben, jedoch nicht am Gewinn teilhaben) finden sich unter https://woodenvalley.de.

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Erstellt:
21. Februar 2025, 06:00 Uhr

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