Die Lage im Wald ist dramatisch

Folgen von Hitze und Trockenheit bedeuten besonders für die Tanne massive Probleme – Ein Gang durch die Felsenreute

Tobias Horwath vom Kreisforstamt und Revierförster Dieter Seitz lassen keinen Zweifel daran, dass die Situation für den Wald auf der Murrhardter Gemarkung alles andere als rosig ist, um es vorsichtig auszudrücken. Die extreme Hitze im vergangenen Sommer und die zu geringen Niederschläge sind für die Tanne als den typischen Baum der Region oft nicht mehr zu verkraften. Und der Borkenkäfer steht (wieder) in den Startlöchern.

Revierförster Dieter Seitz und Tobias Horwath vom Kreisforstamt (von links) ziehen eine ernüchternde Bilanz. Forstleute und Privatwaldbesitzer kommen mit dem Einschlag kaum hinterher.

© Jörg Fiedler

Revierförster Dieter Seitz und Tobias Horwath vom Kreisforstamt (von links) ziehen eine ernüchternde Bilanz. Forstleute und Privatwaldbesitzer kommen mit dem Einschlag kaum hinterher.

Von Christine Schick

FORNSBACH/MURRHARDT. Auf einem Gang durch die Felsenreute, ein Waldgebiet nördlich von Fornsbach, werden die Folgen des Hitzesommers sowie der zu geringen Niederschläge deutlich. So willkommen die Regenfälle der vergangenen Wochen und Tage auch sind, sie können das Defizit dieser langen Periode nicht aufholen. „Die noch kühlen Temperaturen und selbst geringer Regen sind mit Blick auf die Entwicklung des Borkenkäfers schon echte Geschenke“, sagt Dieter Seitz, „aber wir befürchten Schlimmstes.“ Die Schauer sind nur Kosmetik, haben nicht das Potenzial, den Boden komplett zu durchfeuchten, wie es der Wald bräuchte. Auf der Hinfahrt charakterisiert Tobias Horwath die Situation, die sich seit Februar abzeichnet, mit einem abgewandelten Sprichwort: „Der Wald stirbt und keiner merkt’s.“

Vor Ort zeigen die beiden auf einzelne Tannen, deren Kronen beziehungsweise gesamtes Nadelkleid nicht grün, sondern braun sind. Sie sind tot oder dem Tode geweiht und müssen möglichst schnell geschlagen werden. Neu für die Forstleute sind dabei das Ausmaß und die Dynamik. „Teils haben wir gerade angefangen, die betroffenen Bäume zu markieren, dann zeichnet sich bereits ab, dass weitere im Umfeld absterben“, sagt Horwath. In einzelnen Gebieten sind große Flächen mit bis zu 90 Prozent betroffen, und Forstleute sowie Privatwaldbesitzer haben Probleme, mit der Aufarbeitung des Holzes hinterherzukommen.

In der Felsenreute zeigen sich die Folgen besonders deutlich. Das Gebiet ist exemplarisch, zum einen weil dort die Südhänge der Hitze besonders ausgesetzt sind, zum andern da die erhöhte Lage die Niederschläge schnell abfließen und versiegen lässt. Aktuell sieht es so aus, als seien die Schäden im Murrtal – mit Wäldern um Murrhardt, Welzheim und Kaisersbach – besonders hoch.

„Der Tanne als Tiefwurzler macht die Situation noch mehr zu schaffen“, sagt Dieter Seitz. „Die Südhänge sind für sie nicht mehr geeignet.“ Vor Jahren war klar, dass es die Fichte auch in diesen Breiten zunehmend schwerer haben wird. Damals bestand die Hoffnung, dass die Tanne besser mit den veränderten Bedingungen zurechtkommt. „Aber die Natur kann sich nicht an alles anpassen“, sagt Tobias Horwath. Er geht davon aus, dass sich das Landschaftsbild merklich verändern wird. Doch bevor die beiden und ihre Kollegen über mögliche neue Strategien und Zukunftsszenarien nachdenken können, heißt es jetzt vor allem, auf die Lage zu reagieren. Es gilt, das Schadholz aus den Waldgebieten herauszuholen, weil noch eine weitere Verschärfung durch den Borkenkäfer droht, der im vergangenen Sommer optimale Entwicklungsbedingungen vorgefunden hat.

Was die Lage nicht gerade einfacher macht: Ähnlich wie bei den Folgen von großen Sturmereignissen sind die meisten Länder in Europa betroffen, was die Holzpreise in den Keller rauschen lässt. Zudem ist es schwer, mit der Arbeit hinterherzukommen und recht aussichtslos, von Unternehmen außerhalb Unterstützung zu erhalten, weil die Situation in der Branche so gut wie alle betrifft. Zur Unzeit kommen nun noch die bevorstehenden Veränderungen durch die Forstreform, sprich der Aufbau künftiger Strukturen und Ansprechpartner, die sich teils neu einarbeiten müssen.

Laubbäume können die Blätter abwerfen, haben so einen Vorsprung

Tendenziell haben die Laubbäume noch einen Vorsprung, weil sie bei extrem widrigen Bedingungen ihre Blätter abwerfen können, „wenn aber das Wasser fehlt, wird sich das letztlich auch auf Buchen oder Eichen auswirken“, stellt Dieter Seitz fest.

Auf nur wenigen 100 Metern Waldweg wird die Situation (be-)greifbar: Am Rand liegen immer wieder mehrere Meter hohe Stapel von Hölzern und zwar mit keinem kleinen Durchmesser: Unter den Tannen, die durch die Folgen von Hitze und Trockenheit sterben, sind auch 80 bis 160 Jahre alte Bäume.

Genauso transparent wird die weitere offene Flanke – ein Baum zeigt typische Käferfraßgänge. Die beiden Fachleute machen in diesem Fall den Krummzähnigen Tannenborkenkäfer aus. Dass der Schädling so massiv auf die Tanne übergreift, sei auch für sie neu gewesen. Die Entwicklungsbedingungen sind so gut und die Populationen so groß, dass sich die Käfer sogar gesunde Bäume holen könnten, sagt Tobias Horwath. Insofern sei es extrem wichtig, befallenes Holz einzuschlagen und möglichst schnell aus dem Wald zu holen, besonders auch für die Privatwaldbesitzer eine große Herausforderung. „Wir sollten den Kopf aber nicht in den Sand stecken, müssen das jetzt einfach sukzessiv abarbeiten.“

Es heißt im wahrsten Sinne des Wortes dranzubleiben. In manchen Waldgebieten wurde bereits fünf- bis sechsmal Holz gemacht, und auch in feuchteren Regionen wie in der Franzenklinge, ein Gebiet, das Revierförster Andreas Schlär betreut, gibt es Bäume, die abgestorben sind. „Wir haben den ganzen Winter durchgearbeitet. Normalerweise ist man im März fertig, aber dieser Schlussstrich lässt sich jetzt so nicht ziehen“, sagt Dieter Seitz.

Wie eine mittelfristige Reaktion aussehen könnte, lässt sich für Tobias Horwath und Dieter Seitz schwer abschätzen. Zwar gilt beispielsweise die Douglasie als käferresistenter und ist mit Blick auf den Holzverkauf sehr viel flexibler, trotzdem werde man keine schnelle Lösung finden können und mit verschiedenen Konstellationen experimentieren müssen.

Fraßspuren des Krummzähnigen Weißtannenborkenkäfers. Fotos: J. Fiedler

© Jörg Fiedler

Fraßspuren des Krummzähnigen Weißtannenborkenkäfers. Fotos: J. Fiedler

Typisches Schadensbild: Tannen, die von der Krone (Mitte) her braun werden.

© Jörg Fiedler

Typisches Schadensbild: Tannen, die von der Krone (Mitte) her braun werden.

Info
Opfer: Ältere Tannen

Die größten Schäden an der Weißtanne richtet der Krummzähnige (Weiß-)Tannenborkenkäfer an. Er befällt bevorzugt die astfreien Stammpartien geschwächter und absterbender, älterer Tannen. Er kommt nur selten in Stämmen von weniger als 16 Zentimetern Durchmesser vor. Die Weibchen legen ein quer zur Faserrichtung verlaufendes Fraßbild an.

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Erstellt:
1. Juni 2019, 06:00 Uhr

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