Klosterhofkindergarten auf der Zielgeraden

Das neue Familienzentrum und die künftige Heimat der zwei Kindergärten der evangelischen Kirchengemeinde Murrhardt wird ab heute bezogen. Auch wenn aufgrund der Coronapandemie so gut wie alles anders als geplant läuft, setzen nun alle zum Endspurt an.

Stippvisite in den neuen Räumen des künftigen Familienzentrums und Kindergartens Klosterhof: Sophie, Tabea und Selina (von links) dürfen sich kurz mit Erzieherin Elena Stubert (hinten Mitte) und der künftigen Leiterin Petra Ochmann (rechts) umschauen, die sich auch um die Notbetreuung kümmern.

© Jörg Fiedler

Stippvisite in den neuen Räumen des künftigen Familienzentrums und Kindergartens Klosterhof: Sophie, Tabea und Selina (von links) dürfen sich kurz mit Erzieherin Elena Stubert (hinten Mitte) und der künftigen Leiterin Petra Ochmann (rechts) umschauen, die sich auch um die Notbetreuung kümmern.

Von Christine Schick

MURRHARDT. Wer hätte gedacht, dass einmal statt der gemeinsamen Eröffnung eines neu gebauten Kindergartens und Familienzentrums mit Eltern, Kindern, Betreuungsteam, Verantwortlichen und Gästen ein virtueller Gang durch die Räume für Mütter und Väter als Ersatz dienen muss? Es ist anzunehmen, dass gleich zu Beginn – am 1. Februar möchte das Team startklar sein – auch aller Voraussicht nach noch nicht alle Mädchen und Jungen in die Räume können, selbst wenn in Baden-Württemberg eine schrittweise Öffnung für Grundschulen und Kitas kommen sollte. Es sind spezielle Umstände, unter denen der Neubau des Klosterhofkindergartens nun bezogen wird. Pfarrer Hans Joachim Stein hat jedenfalls als einen der Punkte auf seiner Liste besagten Videospaziergang durch die neuen Räume stehen. Auch sonst gibt es noch jede Menge zu tun: die bestellten kleinen Möbel für die Knirpse entgegennehmen, letzte Einrichtungsarbeiten mit den Fachfirmen absprechen und vor allem die Umzüge des Kindergartens Oetingerhaus sowie aus der Alten Abtei, in der die Mädchen und Jungen des Klosterhofkindergartens interimsmäßig untergekommen sind, stemmen. „Es sind schon rund 100 Kisten gepackt“, erzählt Hans Joachim Stein.

Auf den Böden liegen noch Schutzstoffabdeckungen. Im Erdgeschoss befinden sich große, helle Gruppenräume, unter ihnen das Bauzimmer, der Kreativraum und das Reich für die Rollenspiele. „Wir haben uns für ein offenes Konzept entschieden“, erklärt der geschäftsführende Pfarrer. Im Zentrum dabei steht, dass die Kinder sich ab einem gewissen Alter selbst entscheiden können, ob sie beispielsweise lieber etwas malen oder spielerisch soziale Interaktionen erkunden möchten. „So kann das Team stärker auf die Interessen der Einzelnen eingehen. Wenn ein Kind sich aber beispielsweise nur noch auf einen Bereich konzentriert, regen die Erzieherinnen dazu an, dass es auch mal etwas anderes ausprobiert“, sagt Stein. „Bei einer geschlossenen Konzeption hätte man für jede Gruppe Räume, in denen sich alle Bereiche wiederfinden.“

Noch muss das eigentlich offene Konzept wegen Corona ruhen.

Der Vorteil des offenen Konzepts ist, so beispielsweise ein Bauzimmer vielseitiger und größer gestalten zu können, aber auch, dass die Integration der beiden Einrichtungen und das gegenseitige Kennenlernen ganz selbstverständlich nebenher geschehen. Und spätestens hier steht im Moment noch ein großes Stoppschild. Vor dem Hintergrund der Pandemie gelten in den Kindergärten bestimmte Schutzmaßnahmen. Abgesehen vom aktuellen Lockdown gehörte zu den Regeln bisher, dass die Gruppen einzeln betreut werden. Das wiederum heißt, dass die vier Gruppen – zwei aus dem Oetingerhaus und zwei des Klosterhofkindergartens – für sich bleiben müssen.

Es entsteht also eine der Situation geschuldete Gegenläufigkeit: Das Betreuungsteam wird nun Rollwagen zusammenstellen, auf denen Bauklötze, Bastel- und Spielmaterialien bereitstehen, weil die Kinder feste Gruppen haben und eben nicht in die eigens dafür eingerichteten Räume pilgern können. Die Mädchen und Jungen des Oetingerhauses werden im linken Flügel, die des bisherigen Klosterhofkindergartens im rechten betreut. Improvisieren muss das Team mit ein paar zusätzlichen kleinen Garderobenständern und bei der Eingewöhnung. „Wir konnten den Übergang durch den Lockdown für die Kinder jetzt nicht so intensiv vorbereiten“, sagt Petra Ochmann, die künftig die Gesamtleitung für den Kindergarten und das Familienzentrum hat. Die Kinder der Notbetreuung durften auch schon mal kurz in die Räume spicken, verrät die Erzieherin. Im Klosterhof waren das im Schnitt nur drei Knirpse, im Oetingerhaus (auch Ganztagsbetrieb) acht.

Wenn der Start für die Kinder möglich ist, möchte das Team – 15 Erzieherinnen und ein Erzieher – den Kleinen das Ankommen in der neuen Heimat so einfach wie möglich machen. Auch bereits im Vorfeld hat die evangelische Kirchengemeinde Murrhardt den Weg dafür bereitet: Damit die Einrichtungen gut zusammenfinden, gab es einen Moderationsprozess für das Team, bei dem auch unterschiedliche Vorstellungen und Konflikte besprochen werden konnten, erläutert Pfarrer Hans Joachim Stein. „Es tut uns leid, dass wir den Eltern keine persönliche Führung anbieten können“, sagt Petra Ochmann. Die Pandemie habe die Rahmenbedingungen stark verändert, gleichzeitig blickt die künftige Leiterin auf die positiven Aspekte. Fürs Ausmisten und Packen habe es in der Lockdownphase doch mehr Luft gegeben, und nach der Interimszeit in der Alten Abtei hat sie auch noch einige Schätze entdeckt, die durch das Einlagern in Vergessenheit geraten waren. Wichtig sei es gewesen, während der Lockdownphasen möglichst Kontakt mit den Familien zu halten. „Beispielsweise haben wir die Stadtkirche genutzt, um dort für die Eltern Vorschläge und Material für Bastelprojekte oder Spiele zu platzieren, damit sie sich das abholen konnten.“ Durch Corona sei ihr sehr bewusst geworden, welchen Schatz an Möglichkeiten man zuvor gehabt hat – dazu gehört auch der damals selbstverständliche Umgang miteinander. Pfarrer Stein ergänzt: Er verstehe die Angst vor der Krankheit und den Wunsch, die Kontakte und damit auch Infektionen zu reduzieren, allzu gut, gleichzeitig mache er sich Sorgen, wie die Familien in teils beengten Verhältnissen und angesichts der Witterung die Zeit überstehen, und hofft, dass die Belastungen für Kinder und Erwachsene nicht zu groß werden.

Im oberen Geschoss des Neubaus ist ein Raum für die kleineren Kinder vorgesehen, zudem gibt es dort einen Mehrzweckraum und Schlafmöglichkeiten. Auf dem Weg dorthin kommt man an der Tür zur großen Terrasse vorbei. Pfarrer Stein geht davon aus, dass es dort im Sommer mächtig heiß werden kann. Für den Anfang wird man mit einzelnen Sonnenschirmen arbeiten, mittelfristig hofft er aber, dass dort noch eine Markise angebracht werden kann. Was die Fassadenfarbe anbelangt, so hat er schon die eine oder andere Kritik vernommen. Doch das Grau mit einem rötlichen Schimmer sei eine bewusste Entscheidung des Architekten gewesen. „Er wollte das Gebäude in die Umgebung integrieren, und da kommen Hexenturm und Stadtmauer ins Spiel.“

Die Baukosten haben sich erhöht, liegen bei rund 2,73 Millionen Euro.

Neben der Tatsache, dass sich der Kindergartenbau verzögert hat – unter anderem gab es einen Architektenwechsel –, ist mittlerweile auch klar, dass die Kosten höher ausfallen als ursprünglich geplant. Mittlerweile liegen sie bei rund 2,73 Millionen Euro, worüber der Oberkirchenrat informiert ist. Die Verantwortlichen hätten der Gemeinde aber zurückgemeldet, dass man bei solch einem Projekt trotzdem noch im Rahmen liege. Was jetzt noch baulich ansteht, sind die Außenanlagen inklusive Spielgeräte.

Petra Ochmann ist nun dabei, Dienstpläne zu erstellen – für den Fall einer schrittweisen Öffnung. Zudem läuft ja auch die Notbetreuung weiter. Auf die Frage, wie es im Team mit der Angst vor Ansteckung aussieht, sagt sie: „Unterschiedlich.“ Von der Tendenz her hätten Ältere mehr Bedenken als Jüngere. Innerhalb einer (festen) Kindergartengruppe tragen die Erzieherinnen und der Erzieher in der Regel keine Maske. Dabei spielt vor allem eine Rolle, dass die jüngeren Kinder sehr viel an der Mimik ablesen. Geachtet werde aber darauf, einen engeren, intensiveren Kontakt nicht zu lange währen zu lassen. Wechselt eine Betreuungskraft die Gruppe, zieht sie wiederum eine Maske auf, so Petra Ochmann, genauso beim Kontakt mit den Eltern, wenn die ihre Kinder am Eingang in die Obhut des Teams geben.

Letzte Einrichtungsarbeiten: Steffen Wolf hat die richtige Position gefunden.

© Jörg Fiedler

Letzte Einrichtungsarbeiten: Steffen Wolf hat die richtige Position gefunden.

Pfarrer Hans Joachim Stein (links) bringt mit Bürgermeister Armin Mößner die Hausnummer an.

© Jörg Fiedler

Pfarrer Hans Joachim Stein (links) bringt mit Bürgermeister Armin Mößner die Hausnummer an.

Das Gebäude liegt im Klosterhof, einen Sprung vom Stadtgarten entfernt. Fotos: J. Fiedler

© Jörg Fiedler

Das Gebäude liegt im Klosterhof, einen Sprung vom Stadtgarten entfernt. Fotos: J. Fiedler

Betreuung ab zwei Jahren

Im neuen Kindergarten Klosterhof kommen vier Gruppen unter, maximal stehen 88 Plätze zur Verfügung, wobei für unter Dreijährige zwei Plätze gerechnet werden. Zurzeit ist die Platzzahl nicht voll ausgereizt. Im Moment können auch keine Aufnahmegespräche stattfinden. Betreut werden Kinder ab zwei Jahren, oft melden die Eltern ihre Kinder aber erst mit drei Jahren an, wie Pfarrer Stein berichtet.

Die Gesamtkosten für den Neubau werden auf rund 2,73 Millionen Euro geschätzt, der städtische Zuschuss beträgt nach Information der evangelischen Kirchengemeinde voraussichtlich 1,19 Millionen Euro.

Die Kirchengemeinde ist auf Spenden angewiesen, um das Projekt zu stemmen. Dafür gibt es mittlerweile auch eine Plattform, auf der diese in ganz konkreter Form möglich sind – beispielsweise als Sitzkissen oder Experimentierwagen für die Kinder: www.betterplace.org/de. Wer das Stichwort „Murrhardt“ eingibt, sieht dann die dort vorgestellten Initiativen in der Stadt.

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Erstellt:
28. Januar 2021, 06:00 Uhr

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