„Liebt Eure Reste!“
Der Kampf gegen die Verschwendung von Lebensmitteln fängt bei jedem Einkauf aufs Neue an.
Von Eidos Import
Mehr Lebensmittel als der Inhalt von über 1000 vollen 10-Tonnen-Sattelzügen landen in Deutschland Jahr für Jahr auf dem Müll. Weggeworfen in einer Überflussgesellschaft, die sich daran gewöhnt hat. Achtlos von den einen, vorsorglich von den anderen. Von viel zu vielen Verbrauchern, die ein knapp abgelaufenes Haltbarkeitsdatum schon für gesundheitsgefährdend halten. Die sich keine ernsthaften Gedanken machen, was sie mit ihrer unüberlegten Verschwendungssucht anrichten und die wachsende Ernährungsarmut ausblenden.
„Zu gut für die Tonne“: Unter diesem Motto stand deshalb in der zurückliegenden Woche eine Aktion des Bundeslandwirtschaftsministeriums. Nach dem Motto: Gut, dass wir drüber reden. Mehr aber wird nicht herauskommen. Denn das auf Überproduktion und Überangebot bestehende Supermarkt-System bringt sie nicht ins Wanken. Auch die zahlreichen Drei-für-Zwei-Angebote, die zum Kauf von vielem verleiten, das die Kunden eigentlich nicht zusätzlich brauchen, bleiben im Sortiment.
Da wendet sich die Kritik natürlich zunächst an die Adresse der Discounter. An jene, die Lebensmittel mit Mindesthaltbarkeitsdatum bis zu fünf Tage vor Erreichen des Datums bereits aus den Regalen nehmen und entsorgen, wie die Verbraucherzentralen klagen. An die, für die Lebensmittel zur preislich einkalkulierten Wegwerfware geworden sind.
Und doch macht man es sich dabei zu leicht. Denn ein Umdenken und Umsteuern fängt beim Kaufverhalten der Verbraucher an. Wie in Dänemark. Dort hat es die anfängliche Ein-Frau-Organisation „Stoppt die Essensverschwendung“ mit wachsender Unterstützung der Bürger geschafft, die größte Discounter-Kette des Landes davon zu überzeugen, Drei-für-Zwei-Aktionen einzustellen und dafür den Preis für einzelne Lebensmittel zu reduzieren. Ein Händler berichtet, dass er seitdem nur noch zehn statt 100 Bananen am Tag wegwirft. Mit der Start-up-App „Too Good To Go“ können obendrein überschüssige Brote, Kuchen und zu viel zubereitete Speisen von Bäckereien, Restaurants und Hotels günstiger gekauft werden. Die App funktioniert mittlerweile auch in Deutschland.
In Frankreich war eine Einzelaktion Auslöser für ein Gesetz gegen Lebensmittelverschwendung. Seit über zehn Jahren ist es großen Supermarktketten bei – wenngleich milder – Strafandrohung verboten, noch Genießbares in den Müll zu werfen, statt es an ehrenamtliche Organisationen zu spenden. In Tschechien drohen Unternehmen bei Verstößen Strafen bis zu 390 000 Euro. Italien versucht per Gesetz Unternehmen mit Anreizen, wie Steuererleichterungen zu motivieren, Lebensmittel nicht wegzuwerfen.
In Deutschland setzt man dagegen verzagt auf Freiwilligkeit, Aufklärung und Einsicht. Und lässt so alles beim Alten. Die alle paar Jahre aufkeimenden Debatten, das „containern“ (also das Holen von Lebensmitteln aus dem Müll) zu legalisieren, bleiben da wegen mangelnder parteipolitischer Geschlossenheit, unterschiedlicher föderaler Zuständigkeiten und diffiziler rechtlicher Hürden wohlgemeinte Fensterreden. Und sind im wahrsten Sinn des Wortes ein Armutszeugnis.
Und so muss jeder zuerst sein eigenes Konsumverhalten prüfen, auch, weil nach Angaben des Bundeslandwirtschaftsministeriums 60 Prozent der weggeworfenen Lebensmittel auf private Haushalte entfallen. Dabei reicht oft ein Blick in den Kühlschrank. Die dänische Lebensmittelretterin Selina Juul hat das wunderbar so auf den Punkt gebracht: „Esst, was Ihr schon habt! Kauft nur, was Ihr braucht! Und liebt Eure Reste!“ Es ist so einfach.