Die Ermittlungen gegen Christen betreffen wohl die EM
In die Freistellung des langjährigen Wasenchefs war die Rathausspitze involviert. Bei den Ermittlungen geht es wohl um die Fußball-EM 2024.
Von Uwe Bogen
Stuttgart - Eine gewichtige Stimme aus dem Volksfest-Umfeld sagt, für ihn sei Marcus Christen immer der „Captain Jack Sparrow des Wasens“ gewesen – einer, der „alles überlebt“, der jedes Unwetter übersteht, egal, was man ihm vorwirft.
Seit 20 Jahren lodert das Thema Platzvergabe rund um Volks- und Frühlingsfest sowie um den Weihnachtsmarkt. Hat Jack Sparrow diesmal verloren? Zumindest hat die Veranstaltungsgesellschaft in.Stuttgart den Wasenchef Christen ab sofort freigestellt.
In der Branche sind Gerüchte über mögliche Mauscheleien bei der Vergabe von Standplätzen oder Aufträgen im Umfeld des Wasens oder des Weihnachtsmarkts nicht neu. Stefanie Hirrle, die Sprecherin der Veranstaltungsgesellschaft in.Stuttgart, wollte zunächst weder bestätigen noch dementieren, dass Unregelmäßigkeit bei der Platzvergabe der Grund für die Freistellung sei. Dann aber teilte sie unserer Zeitung doch mit, dass die Entscheidung „nichts mit den Vergabeverfahren zum Frühlingsfest, Volksfest und dem Weihnachtsmarkt“ zu tun habe.
Nach Informationen unserer Zeitung geht es vielmehr um Vorkommnisse bei der Fußball-EM 2024. Damals wurden Fanströme von den EM-Zonen aus der City an die Außenbereiche der Stadt umgeleitet, wo die dortigen Gastronomen gute Geschäfte machten, während ihre Kollegen mit hohen Standgebühren auf dem Schlossplatz rote Zahlen schrieben.
Ob es dabei zur Vorteilsnahme von Christen kam, ist Gegenstand der Ermittlungen. Bürgermeister Thomas Fuhrmann hat in jüngster Zeit dazu Gastronomen befragt. Den lukrativen Bierausschank soll Christen einem befreundeten Wirt zugeschanzt haben. Zu den Vorwürfen wollte sich der Beschuldigte bisher nicht äußern. Ein Insider beschreibt, dass Christens Entscheidungen nicht unumstritten gewesen seien: „Mit seiner Vergabepraxis hat er sich nicht nur Freunde unter Gastronomen und Schaustellern gemacht. Die Kommunikation war dabei auch nicht immer glücklich. Ich weiß von unterlegenen Akteuren, die im Nachhinein Recherchen veranlasst und einen Privatdetektiv eingesetzt haben.“
Da das Management für den Weihnachtsmarkt unbesetzt gewesen wäre, übernimmt nun Andreas Kroll, der Ende März 2026 als Geschäftsführer von in.Stuttgart ausscheidet, diese Aufgabe.
In die Entscheidung waren OB Frank Nopper und Finanzbürgermeister Thomas Fuhrmann eingebunden. Auch aus dem Rathaus ist nichts zu den Hintergründen zu erfahren. Solange die Vorwürfe nicht aufgeklärt sind, ist der Wasenchef freigestellt.
Seit 2005 ist Marcus Christen, 55, bei in.Stuttgart tätig. Ambitionen auf den Chefposten wurden ihm immer wieder nachgesagt. Doch die Verantwortlichen wollten ihn wohl nicht zum Nachfolger von Geschäftsführer Andreas Kroll machen, der seinen Ruhestand wohl deshalb verschoben hat.
Seit einiger Zeit geriet Christen zunehmend in die Kritik, etwa wegen des Hickhacks um die Öffnungszeiten des Weihnachtsmarkts. Auch dass der Weihnachtsbaum vor dem Königsbau nicht aufgestellt werden konnte, weil der Termin nicht mit den Machern von „Stuttgart leuchtet“ abgestimmt war, wurde ihm angelastet. Doch dies allein dürften nicht die Gründe für seine sofortige Freistellung sein. Ob die laufenden Prüfungen tatsächlich zu Konsequenzen führen oder sich die Vorwürfe als haltlos erweisen, ist derzeit völlig offen.
